Der Wirkstoff Wirkung: Wie Sie andere für sich begeistern – ein Gespräch mit Andreas Bornhäußer

Kann man aus einem Nerd einen Rhetorik Gott machen?

b2b-Magazin: Was bringt einem der beste Text, wenn ihn niemand liest? Oder die spannendste Präsentation, wenn niemand zuhört? Nichts und wieder nichts. Es wird also Zeit, sich unvergessen zu machen und Gehör zu finden. Am besten geht das mit Charisma, findet Andreas Bornhäußer. Und der muss es wissen, schließlich beschäftigt er sich seit mehr als 30 Jahren mit dem gewissen Etwas. Vor allem mit denjenigen, die noch nicht genug davon haben. Nicht jeder Mensch ist zum Charismatiker berufen. Können Sie aus einem introvertierten Nerd einen Rhetorikgott machen?

Christina Rahmes interiewt Andreas Bornhäußer für das b2b-Magazin von RTS Rieger Team

AB: Nein, das kann ich nicht. Das kann die jeweilige Person nur selbst, indem sie an den für ihre Ausstrahlung und Überzeugungskraft relevanten Faktoren arbeitet. Je intensiver und disziplinierter jemand an die Sache rangeht und dranbleibt, desto höher ist auch die Chance, dass er sich zu einer charismatischen Persönlichkeit entwickelt. Die eigentliche Arbeit für die Mandanten liegt ohnehin zwischen den Begegnungen mit dem Coach. Denn da gilt es schließlich, die Themen zu üben. Das ist wie im Fitnessstudio: Der Trainer zeigt einem, mit welchen Bewegungen man welche Muskeln aufbaut. Und das Training absolviert man dann alleine.

b2b-Magazin: Was wollen die Menschen, die zu Ihnen kommen?

AB: In erster Linie ihre persönliche Ausstrahlung und Überzeugungskraft erhöhen, damit sie in ihren Begegnungen mit anderen auch die von ihnen beabsichtigte Resonanz erzielen. In Bewerbungssituationen, Mitarbeiter- oder Verkaufsgesprächen.

b2b-Magazin: Kommen Ihre Mandanten freiwillig zu Ihnen? Oder werden sie von ihren Vorgesetzten geschickt?

AB: Da gilt bei uns der Grundsatz: Geschickt ist nicht geschickt. Wer nicht freiwillig zu uns kommt, der tut sich keinen Gefallen. Deshalb prüfen wir gleich zu Beginn eines Coachings im Rahmen eines Clearings, ob der Mandant aus freien Stücken bei uns ist und an der Erweiterung seines eigenen Repertoires arbeiten möchte. Wenn wir den Eindruck haben, dass dem nicht so ist, dann raten wir dieser Person auch von einem Coaching ab. Der Anteil derer, die zu uns geschickt werden, liegt bestimmt bei 40 %. In diesen Fällen klären wir, ob der Mandant bereit ist, eine gewisse Bereitschaft zu entwickeln – oder es sich auch nach selbstkritischer Reflexion nur um Zwang handelt. Bei Letzterem ist es nur verschenkte Lebenszeit. Für beide Seiten.

b2b-Magazin: Angenommen, es besteht die Bereitschaft zu einem Coaching. Was genau ist dann Ihre Rolle?

AB: Das ist abhängig von den Faktoren, die es zu entwickeln gilt. Und die finden wir erst einmal mit Hilfe eines webbasierten Fragebogens heraus, durch den die individuellen Wirkungsstärken und -defizite analysiert werden. Diese objektive und wissenschaftlich fundierte Analyse ist Grundlage des gesamten Prozesses. In der Folge werden dann die weniger stark ausgeprägten Faktoren trainiert, um durch das Coaching Wirkungsbalance zu erreichen.

b2b-Magazin: Und das alles machen Sie mit der S.C.I.L. Performance Strategie?

AB: Ja. Dafür haben wir sie entwickelt. Es ist das einzige Modell, das die Wirkung und Wahrnehmung eines Menschen vollumfänglich abbildet. Darüber hinaus enthält S.C.I.L. eine Menge konkreter Übungsanleitungen und Handlungsempfehlungen, mit denen man seine persönliche Wirkung verbessern kann.

b2b-Magazin: Laut dieses Interaktionsmodells ist jeder Mensch zugleich Beziehungs-, Bewegungs-, Vernunft- und Verständigungsmensch. Nur die Ausprägung der einzelnen Faktoren – das individuelle Profil – ist verschieden. Wo würden Sie sich selbst einordnen?

AB: Meine Stärken liegen im Bereich der lingualen Kompetenz, der Körpersprache und im Bereich des Beziehungsmanagements. Einige Leistungsreserven schlummern bei mir im Bereich Intellectus. Letzteres ist bei mir also definitiv verbesserungswürdig. Auch ich muss und möchte immer wieder an der Erweiterung meines Repertoires arbeiten.

b2b-Magazin: Was bringt es einem Mandanten, wenn er weiß, dass er zu 30 % Beziehungs-, 10 % Bewegungs-, 20 % Vernunft- und 40 % Verständigungsmensch ist?

AB: Hier einmal vorneweg: Wir drücken das nicht in Prozent-, sondern in Skalenwerten aus. Als Erstes würde ich mit dieser Person in den Bereich Corpus (= Bewegungsmensch) gehen, denn der wäre dann am schwächsten ausgeprägt.Dann würde ich gemeinsam mit meinem Mandanten prüfen, welcher der vier Unterbereiche des Corpus am stärksten verbesserungswürdig ist. Möglich wären hierbei die Bereiche persönliches Erscheinungsbild, räumliche Präsenz, Gestik und Mimik. Angenommen, wir würden dann diagnostizieren, dass er im Bereich Gestik und Mimik Entwicklungspotenzial hat, so würde ich genau an diesen Bereichen arbeiten. Vor allem an der Art und Weise, wie er durch seine Gestik das gesprochene Wort unterstützen kann. Wir würden auch üben, wie er mit seiner Mimik klarer ausdrücken kann, was er gerade sagen möchte. Das ist fast wie Schauspieltraining, bezogen auf die unterschiedlichen Anlässe Präsentation, Verkaufsgespräch oder Interview.

b2b-Magazin: Wirkt es nicht etwas befremdlich, wenn jemand an seiner Mimik trainiert, um sein Gesagtes besser zu unterstützen? Diese Veränderung fällt doch jedem auf, der einen schon etwas länger kennt.

AB: Ich spreche nicht von Veränderungen, sondern von der Erweiterung eines vorhandenen Repertoires. Können Sie Trauer auf Knopfdruck in Ihrer Mimik ausdrücken? Wenn das nicht der Fall ist – und Trauer ist nach Paul Ekman eine der sieben Grundemotionen –, würde ich mit Ihnen an genau den Muskelgruppen arbeiten, die Sie für diesen Ausdruck in Ihrem Gesicht benötigen. Je länger so etwas trainiert wird, desto normaler sieht diese Repertoire-Erweiterung dann aus. Auch für das bekannte Umfeld.

b2b-Magazin: Und was bringt es Ihren Mandanten, die Emotion Trauer auf Knopfdruck rüberzubringen?

AB: Sie haben eine höhere Glaubwürdigkeit. Schließlich wird das, was sie sagen, unterstützt durch das, was man in ihrer Mimik lesen kann. Das gilt natürlich nicht nur für die Trauer, sondern auch für die sechs anderen Grundemotionen.

b2b-Magazin: Kann man sagen, dass Frauen eher Beziehungs- und Verständigungsmenschen, Männer eher Bewegungs- und Vernunftmenschen sind? Oder wäre das doch zu stereotyp gedacht?

AB: Ja, das wäre zu stereotyp gedacht. Wir haben mittlerweile 35.000 Profile vorliegen, die wir immer wieder nach signifikanten Gruppierungen und Auffälligkeiten überprüft haben. Und wir haben noch nicht festgestellt, dass Frauen grundsätzlich anders ticken als Männer oder bestimmte Profile für bestimmte Berufsgruppen typisch sind. Eine Auffälligkeit gibt es allerdings: In bestimmten Unternehmenskulturen sind bestimmte Typologien häufiger vertreten. Offensichtlich deshalb, weil Führungskräfte anscheinend gerne Gleichgesinnte einstellen.

b2b-Magazin: Große Persönlichkeiten und Redner wie Cicero, Martin Luther King und Kennedy – waren das eher Beziehungs-, Bewegungs-, Vernunftoder Verständigungsmenschen? Was denken Sie?

AB: Ganz spontan würde bestimmt jeder sagen, dass es sich bei den dreien um besonders charismatische Menschen handelt. Wir haben die Biografien all dieser Persönlichkeiten untersucht und festgestellt, dass ihre Fähigkeiten in allen vier Feldern – Sensus, Corpus, Intellectus und Lingua – besonders stark ausgeprägt waren. Sie hatten demnach eine Wirkungsbalance erreicht. Und je ausgeglichener diese Balance ist, desto charismatischer wird man von seinen Zuhörern empfunden.

b2b-Magazin: Sie sagen, dass Menschen oft anders wirken, als sie sind …

AB: … das ist auch so! Da hat der Volksmund Recht, wenn er sagt, dass bei vielen Menschen „mehr Schein als Sein“ anzutreffen ist. Wir haben jedoch das genaue Gegenteil festgestellt: mehr Sein als Schein. In manchen Menschen steckt oft viel mehr, als sie nach außen tragen und rüberbringen. In unserer Mandantschaft sind unter anderem viele Hochschulprofessoren, die besonders strukturiert vorgehen, wenn sie beispielsweise eine Empirie planen. Wenn sie dann allerdings auf die Bühne gehen, um ihre Empirie zu erklären, schaffen sie es nicht, ihre strukturierte Vorgehensweise auch so strukturiert mitzuteilen.

b2b-Magazin: Ein Vier-Augen-Gespräch ist das eine – die große Präsentation vor Publikum das andere. Woran scheitern die meisten?

AB: Daran, dass sie sich nur inhaltlich vernünftig vorbereiten. Diese Menschen wissen ganz genau, was sie sagen, nicht aber, wie sie es sagen. Sie lassen diese Fragen unbeantwortet: Welche Dramaturgie wähle ich? Wie erzähle ich die Geschichte? Was ist mein zentrales Bild beim Storytelling? Über all das machen sich Redner häufig zu wenige Gedanken. Dabei hängt genau davon der Erfolg oder Misserfolg einer Präsentation ab. Eine fehlende Dramaturgie artet häufig in „betreutem Lesen“ aus. Was das Publikum natürlich enorm langweilt.

b2b-Magazin: Wie kann eine Präsentation – sagen wir, über den aktuellen Quartalsabschluss – die Zuhörer begeistern?

AB: Indem ich mir Gedanken über Schlüsselzahlen mache, aus denen ich dann Handlungsempfehlungen ableite. Denn auch bei einem Quartalsabschluss darf die emotionale Komponente nicht fehlen.

b2b-Magazin: Thema hin oder her – man sollte trotzdem sich selbst treu bleiben und nicht nur der Wirkung wegen verstellen, oder?

AB: Das ist die hohe Kunst: sich selbst treu zu bleiben und gleichzeitig das eigene Wahrnehmungs- und Wirkungsrepertoire zu erweitern. Und genau dabei unterstützen wir unsere Mandanten.

b2b-Magazin: Ist die Persönlichkeit eines Menschen eigentlich deckungsgleich mit dessen Wirkung?

AB: Das, was außen wahrnehmbar wird, hat auch immer etwas mit dem zu tun, was sich innen abspielt. Leider nicht vollumfänglich. Wer im Prozess der Sozialisierung und des Älterwerdens permanent darauf getrimmt wird, seinen Verstand einzuschalten und die Intuition abzuschalten, der wird sie später auch nicht ernst nehmen. Jeder Mensch verfügt sein Leben lang über Intuition. Sie ist also in jedem Menschen vorhanden. Aber nicht bei jedem wird sie wahrnehmbar.

b2b-Magazin: Welche Persönlichkeit des öffentlichen Lebens empfinden Sie als besonders guten Rhetoriker und wer sollte besser mal ein Seminar bei Ihnen buchen?

AB: In der Politik fällt mir aktuell niemand ein, der als exzellenter Rhetoriker hervorsticht. Wobei, Wolfgang Schäuble ist sehr eloquent und Heiner Geißler ist nicht nur ein brillanter Rhetoriker, sondern auch Dialektiker. Aber solch charismatische Persönlichkeiten wie Joschka Fischer, Helmut Schmidt oder Willy Brandt hat es in der Politik schon lange nicht mehr gegeben.

b2b-Magazin: Wie unterscheidet sich denn der Trainer Andreas Bornhäußer von der Privatperson?

AB: Da gibt es wenige Unterschiede. Und die, die es gibt, müsste Ihnen meine Familie erzählen. Es gibt in meinem Leben die Maxime: „Walk as you talk.“ Ich gehe nicht ohne die Privatperson Andreas Bornhäußer auf die Bühne. Aber auch nicht ohne den Trainer Andreas Bornhäußer nach Hause.

b2b-Magazin: Zur Wirkung eines Menschen gehört ja einiges: Ausstrahlung, Stimme, Wortwahl, Mimik, Gestik usw. Arbeiten Sie mit Ihren Kunden am Gesamtpaket? Oder ist es besser, sich erst einmal die Gestik vorzunehmen und erst anschließend die Wortwahl?

AB: Ich beginne das Training bevorzugt mit dem Faktor, der bei meinem Mandanten – in Relation zu den anderen Faktoren – am schwächsten ausgeprägt ist. Nur das macht wirklich Sinn, wenn man eine Wirkungsbalance herstellen möchte.

b2b-Magazin: Auch Sie müssen Ihre Zuhörer immer wieder für sich gewinnen. Was ist das Geheimnis von Mister Charisma?

AB: Ich setze mich mit meinen Zielgruppen auseinander und versuche, mich auf ihre Erwartungen einzustellen. Vernunftmenschen haben andere Bedürfnisse als Beziehungsmenschen. Die wollen anders angesprochen werden. Kommunikation funktioniert immer dann gut, wenn man die Menschen in ihrer Welt erreicht. Und das tue ich. Schätzungsweise ist das einer der Gründe, warum ich so gute Resonanz in meinen Veranstaltungen erziele.

Das Interview führte 2013 Christina Rahmes vom b2-b-Magazin der Werbeagentur RTS Rieger Team. Weitere infos über das Magazin gibt es hier: http://www.b-2-b.de.

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